Hallo, Daido

Daido Moriyama fängt die Objekte seiner Neugier mit einer kleinen Kamera ein, die er immer dabei hat. Werfen wir einen Blick auf das Leben eines Menschen, der die Fotografie auch mit 85 Jahren noch liebt.

Daido Moriyama

Fotograf

Geboren 1938 in der Präfektur Osaka. Eröffnet 1958 sein Designatelier. Arbeitet als Assistent für den Fotografen Takeji Iwamiya und geht 1961 für eine Zusammenarbeit mit VIVO nach Tokio. Später arbeitet er für Eikoh Hosoe und assistiert 1963 bei Ordeal by Roses dem Buch über Yukio Mishima. 1966 beginnt seine Arbeit mit Takuma Nakahira. Im nächsten Jahr gewinnt er den New-Artist-Preis der Photo-Critics-Association Japans. 1972 erscheint Streunender Hund im Magazin Asahi Camera. Er stellt seine Arbeiten weltweit aus und hat über 200 Bücher herausgegeben, darunter Japan: A Photo Theater, Farewell Photography, Licht und Schatten und die Record-Serie 2021 arbeitet er mit UNIQLO für eine UT Kollektion, die fünf seiner Fotos beinhaltet, darunter Streunender Hund. Eine weitere seiner Arbeiten ist 2023 Teil von PEACE FOR ALL. THE TOKYO TOILET / DAIDO MORIYAMA / SWITCH ist erhältlich bei Switch Publishing.

1. Was hast du wo gestern fotografiert?
Ich ging durch Komachidori in Kamakura. Ich mag es, Fotos in Menschenmengen zu machen. Einkaufsstraßen sehen je nach Richtung und Lichteinfall anders aus. Also gehe ich immer eine Runde und habe wahrscheinlich fünfzig Fotos geschossen.
2. Was ist der Schlüssel zur Straßenfotografie?
Zögere nicht. Vertraue auf deinen Instinkt. Wenn ich durch die Menge gehe, mache ich Fotos, sobald die Inspiration da ist und bevor ich darüber nachdenke. Ich verwende eine Kompaktkamera und muss kaum durch den Sucher gucken.
3. Wie viel Zeit verbringst du am Tag damit, Fotos zu schießen?
Ich gehe zwei bis drei Stunden spazieren. Da ich jetzt in Zushi lebe, komme ich nicht mehr so oft wie früher nach Shinjuku oder Ikebukuro.
4. Was zieht dich nach Orten wie Shinjuku und Ikebukuro?
Aus Osaka kommend, war der Bahnhof Shinjuku, der erste Ort, den ich von Tokio sah. Man sagt, Tokio sei eine Stadt der Sehnsucht, was mir sehr entgegenkam. Meine Fotografien halten meine eigene Sehnsucht und die der Menschen fest.
5. Was ist deine schönste Erinnerung ans Fotografieren?
Buenos Aires hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es liegt nicht am Tango, eher am Duft und den Farben, die die Stadt so sinnlich machen. Mein Buch erschien vor über zwanzig Jahren. Ich war dort im Winter und im Sommer.
6. Welche Stadt steht ganz oben auf deiner Liste?
Ich wollte schon immer nach Mexiko-Stadt, war aber nie dort. Mittlerweile weiß ich nicht, ob ich es noch schaffe, aber ich glaube, es wimmelt dort nur so vor Menschen.
7. Gibt es ein Foto, das du niemals vergessen wirst?
Meine Fotos sind ein Teil von mir. Ich mag keins mehr als die anderen. Ich mag den Gedanken, dass das Beste noch kommt. Was Fotos anderer angeht, denke ich an William Kleins New York (1956). Das Buch hatte großen Einfluss auf meine Karriere. Es zeigt meine liebste Sammlung.
8. Welche Fotograf:innen und Künstler:innen haben dich beeinflusst?
Gewiss Klein. Ich betrachte seine Arbeiten noch immer. Die Schnappschüsse aus New York sind schwindelerregend, verwirrend. Der präzise Fokus und die Sympathie lassen meine Zellen aufleben. 1971 reiste ich mit Tadanori Yokoo zum ersten Mal nach New York. Es war großartig. Andy Warhol beherrschte die Stadt und ich war ein großer Fan. Meiner Meinung nach ist er viel mehr Fotograf als Künstler. Wie er zum Beispiel Bilder von Marylin Monroe oder Campbell's Soup vervielfachte. Yokoo schlug vor, dass wir uns mit ihm treffen sollten, aber ich bekam Panik und lehnte schließlich ab, was ich immer noch bereue.
9. Gibt es etwas, das du gerne fotografieren möchtest?
Es ist schwer, darauf spontan zu antworten, weil ich immer für das nächste Foto lebe.
10. Was veranlasst dich, ein Foto aufzunehmen?
Man muss nur nach draußen gehen und befindet sich im Wunderland. Ich kann nicht anders, als das, was ich sehe, festzuhalten. Man mag vom Resultat halten, was man will, das ist mir egal. Ich schieße Fotos von allem, das mich anspricht. Das trifft vor allem auf Schnappschüsse zu, über die man später nachdenken kann.

BUENOS AIRES

Kollektion von 2005. Aus dem Vorwort: „Nachts in La Boca, in der Nähe des Hafens, ist die Luft von einer erotischen, wilden Energie erfüllt. Dies ist die ferne Stadt, nach der ich mich immer sehnte, ein Ort, an dem sich Fakten und Fiktion vermischen. Buenos Aires ist die Kulisse meines Herzens“. Die Fotos fangen den chaotischen Eros der Skyline ein.

Die Fotosammlung THE TOKYO TOILET / DAIDO MORIYAMA / SWITCH zeigt die öffentlichen Toiletten von Shibuya. Herausgegeben bei Paris Photo. Moriyama sieht sich das Buch im Atelier des Designers Satoshi Machiguchi an.

11. Ist Fotografie Kunst?
Man kann sie als Kunst betrachten, muss es aber nicht tun. Ich glaube nicht, dass ich es so sehe. Eher als eine Kopie der Welt, vermittelt durch die Kamera.
12. Welche Filme haben dich am meisten beeinflusst?
Damals in Osaka, ich war ungefähr 20, hat mich Alain Delon in Nur die Sonne war Zeuge umgehauen. Der Film öffnete mir die Augen. Was die Regie anging, war Fotograf Takuha Nagira ein Godard und ich ein Fellini. Als wir jünger waren, schauten wir gemeinsam Filme aus dem Ausland. Ich verstand nicht, was er in Godard sah. Dasselbe galt für ihn, nur eben für Fellini. Wir waren unterschiedliche Menschen, aber es muss eine fundamentale Gemeinsamkeit gegeben haben, die uns zusammenbrachte.
13. Wie wärmst du dich täglich für das Fotografieren auf?
Nichts Besonderes! Ich brauche nur eine Kamera und eien Stadt. Wenn diese Stadt Tokio ist, suche ich mir ein Viertel aus. An einem bestimmten Tag bin ich vielleicht in Stimmung für Nakano oder vielleicht Takadanobaba, dann wieder Sangenjaya und so weiter.
14. Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Jeans und T-Shirts oder wenn es kälter wird ein Pullover und eine schlichte Jacke. Ich trage viel schwarz.
15. Gefallen dir bedruckte T-Shirts?
Ich habe eins mit Mickey und eins mit Campbell's Soup. Ich trage bedruckte T-Shirts, wenn sie zu meinem Stil passen. Mickey liebe ich seit meiner Kindheit. Manchmal trage ich ein UT T-Shirt, das eines meiner Fotos zeigt. Die meiste Zeit trage ich aber schwarze T-Shirts ohne Print. Womöglich hat meine frühe Arbeit im Bereich Design mein Interesse an bestimmten Arten von Grafiken geweckt. Als ich im Atelier in Osaka arbeitete, sah ich mir häufig Modezeitschriften aus Übersee an. Wahrscheinlich hat sich das auf meine spätere Arbeit ausgewirkt.

©Daido Moriyama Photo Foundation

Moriyamas legendärer Streunender Hund wurde in Aomori, Misawa aufgenommen, wo das US-Militär einen Stützpunkt hat. Als Moriyama sein Hotel verließ, stand der Hund direkt vor ihm. Entwickelt und vergrößert gefiel ihm die Ausdruckskraft des Hundes. Diese Figur ist eine der wertvollsten Besitztümer von Moriyama.

Daido Moriyama UT Kollektion

2021 erschien die UT Kollektion mit verschiedenen Motiven. Unter anderem mit dem berühmten Hundefoto, das für die UT Kollektion stark beschnitten wurde. Moriyama sagt, dies sei sein am meisten verbreitetes Foto.

PEACE FOR ALL

Moriyamas Foto des Fuji wird Teil der PEACE FOR ALL Wohltätigkeitskollektion, für die viele verschiedene Persönlichkeiten bereits Designs entworfen haben. Die Erlöse gehen an gemeinnützige Organisationen, die Menschen in Not helfen.

PEACE FOR ALL Bedrucktes T-Shirt (Daido Moriyama) 19,90 € (Demnächst)

*UNIQLOs Mutterunternehmen Fast Retailing Co., Ltd. spendet eine Summe in Höhe der Gewinne (nicht weniger als 20 % des Verkaufspreises) in gleichen Teilen an UNHCR, Save the Children Japan und Plan International. Diese Verkaufsförderung wird von Fast Retailing durchgeführt.

16. Was machst du als erstes jeden Morgen?
Wenn ich aufwache, gehe ich in die Küche, um eine zu rauchen. Ich habe es geschafft, mit dem Trinken aufzuhören, aber mit dem Rauchen wird das nichts.
17. Was ist dein Lieblingsessen?
Ich neige zu schlichtem Essen wie Curry. Etwas, dass ich noch nie gegessen habe, aber schon seit Jahrzehnten probieren will, ist das Schweinebauch-Tempura, das Takeshi Kaiko in einem seiner Bücher erwähnt. Als ich die Zeile las, klang es so köstlich.
18. Was hältst du von UNIQLO?
Interessante T-Shirts zu einem guten Preis. Ich war überwältigt, mein Foto des Fuji auf einem T-Shirt im Store zu sehen. So fühlte ich auch bei dem T-Shirt mit Streunender Hund. Ich bin glücklich, jemanden zu sehen, der eines davon trägt. Anstatt im Rahmen festzustecken, wird das Foto in die Welt hinaustragen. Ich liebe das.
19. Das Thema dieser Ausgabe ist Leichtigkeit. Wie funktioniert Licht in der Fotografie? [Anm.] Im Englischen basieren Leichtigkeit und Licht auf demselben Wortstamm light.
In Fotografie dreht sich alles um Licht und Schatten. Sie kann ohne Licht nicht existieren, aber Schatten gibt den Arbeiten ihre Essenz.
20. Welches Licht, dass du in deiner Karriere fotografiert hast, ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Zuallererst fällt mir das Foto des Fedoras aus Licht und Schatten von 1982 ein. Ein Hut in der Sonne, aber Licht und Schatten machen ihn zu etwas Besonderem. Ich sage nicht, dass es ein großartiges Foto ist, aber es ist das erste, an das ich denken musste.
21. Wie kann man seine Fähigkeiten als Fotograf:in verbessern?
Fotografiere die Welt, wie du sie siehst. Sei es ein Bild oder viele. Sehnsucht treibt dich zu mehr Fotos an. Jemand mit weniger Sehnsucht schießt vielleicht weniger Fotos. Besser zu werden bedeutet, dass du mehr Fotos von dem machen willst, das deine Sehnsucht weckt.
22. Wenn du kein Fotograf geworden wärst, was wärst du heute?
Ich glaube, ich wäre ein Matrose. Ich habe die Tests für die Handelsmarineschule gemacht, bin aber in Mathe durchgefallen. Sie sagten mir, wenn du Mathe nicht kannst, bist du auf einem Schiff nutzlos. Ich fuhr nach Kobe, um mir die Schiffe anzusehen. Kurz nachdem ich durch die Prüfung gefallen war, habe ich mit Fotografieren meinen Lebensunterhalt verdient.
23. Bei welcher Kollektion hast du gedacht, dass du endlich Fotograf bist?
Ich glaube, das war bei meiner ersten Kollektion Japan: A Photo Theater. Shuji Terayama war freundlich genug, den Text zu verfassen. Ich kann mich an jedes einzelne Foto erinnern. Als Terayama mich dorthin brachte, gefiel mir der Ort nicht. Ich wollte mich auf einen Kaffee ins Mont-Blanc in Jiyugaoka schleichen. Doch als ich mich ein wenig umgesehen hatte, wurde mir alles klar. Am Anfang war ich vielleicht abgeneigt, aber etwas hat mich angesprochen, und dazu gehörte auch, dass ich mich in dem Werk wiederfand.
24. Was war die schwerste Zeit in deinem Leben?
Das Leben ist immer hart. Nichts läuft ständig glatt.
25. Was wäre dein letztes Foto, wenn du es dir aussuchen könntest?
Ich hoffe, halb im Spaß, dass ich mit einer Kamera in der Hand auf der Straße zu Boden gehe. Den Moment, während ich falle, einfange. Ich möchte nur nicht, dass es gezwungen wirkt.
  • ©Daido Moriyama Photo Foundation

Licht und Schatten

Nach Farewell Photography von 1972 feiert Moriyama mit seinem Meisterwerk Licht und Schatten sein Comeback nach zehn Jahren. Moriyama erwähnt diesen Hut im Interview.

©Disney